Elementarteilchen

Drama, Deutschland 2006, 113 min

Eigentlich kann diese Geschichte nur besser werden. So sagen viele. Auch jene, die sonst den Roman eines Autors noch nach Jahren der Verfilmung vorziehen würden. Aus der französischen Feder des Bestsellerliferanten und Kultautors Michel Houellebcq flossen dereinst recht dürre Worte in eine unerträgliche und unmoralische Geschichte. Brilliant und frustrierend, sehr französisch und auch sehr endgültig, faszinierend in ihrer kompletten Hoffnungslosigkeit. Das Buch zum Suizid. So sagen etliche.
Perfekter Stoff für Oskar Roehler, Sex und Suizid, wobei beide Elemente im Film nur als Teilchen vorkommen. Vielmehr steht der ganz normal gestörte Mensch ausgangs des vorigen Jahrhunderts im Mittelpunkt. Michael ist das ultimative Abziehbild eines Molekularbiologen. Introvertiert und zwischenmenschlich komplett desinteressiert. Sexualität begreift er allenfalls als Forschungsobjekt bei seiner Studie zur völligen Aushebelung der naturlichen Fortpflanzung. Sein Bruder agiert da eher am anderen Ende der Erektionsskala. Bevor der Oberschullehrer Bruno dem Drang nachgibt, seine mitunter recht spärlich bekleideten Schülerinnen zu vernaschen (in diesem Falle muss es heißen: zu missbrauchen), weist er sich vorsichtshalber selbst in eine psychatrische Anstalt ein. Da die Brüder Michael und Bruno, zum Teil bei ihrer Großmutter, bei ihrer völlig durchgekoksten Hippiemutter Jane (Nina Hoss), bzw. im Heim aufwachsen mussten, wird für beide die Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit zum Epizentrum der Geschichte. Hier beginnt es zu brodeln, Michael lässt sich von Annabelle verführen, die seit Kindestagen in ihn verliebt war. Bruno bringt mit den Schilderungen seiner sexuell verfärbten Biografie die Anstaltsärztin Dr. Schäfer auf Trab. Spätestens jetzt schält sich der wirkliche Kern des Filmes heraus. Wenn die Figuren ganz klein werden in ihrer Armut an echter, erlebter Liebe. Erst im Nachhall des Filmes klingen die elementaren Fragen im Ohr; Fragen nach Familie, Kommunikation und Verantwortung füreinander. Oskar Roehler räumt den beiden Brüdern am Ende noch den Weg frei, in eine solche Richtung davonziehen zu können. Michael und Annabelle verlieren wegen einer tumorbedingten Totaloperation das gemeinsame Kind, Annabelle wird damit leben müssen, Michael wird es können. Ob Bruder Bruno damit leben kann, dass seine Christiane wegen eines “Sexunfalles“ für immer im Rollstuhl landet, muss er erst noch beweisen.
C. Fredo
alpa kino