Schnee von gestern
Viele junge Israelis leben in Berlin. Sie machen die Erfahrung dort zu leben, wo ihre Vorfahren in Nazideutschland umkamen und wohin viele Überlebende keinen Schritt setzen würden. Auch Yael Reuveny hat eine Familiengeschichte voller Leid und Trauer. Als Filmemacherin Anfang 30 ist sie auf den Spuren ihrer eigenen Familie - und einer Geschichte, von der sie bis vor Kurzem nichts wusste.
Yael hörte von ihrer 2001 verstorbenen Großmutter immer wieder den schicksalhaften Bericht eines verpassten Treffens mit ihrem Bruder. Die Geschwister aus Wilna hatten den Holocaust überlebt und sich dennoch nie wieder gesehen. Beide glaubten, der andere sei tot. Beide bauten sich ein Leben auf, mit Lebenspartnern, Kindern und Enkeln. Yael kannte bis vor einigen Jahren nur den Teil der Familie in Israel. Dann kam ein Brief aus der Nähe von Cottbus…
Und plötzlich gibt es eine ostdeutsche Kleinstadt, in der viele Menschen sich an den bereits verstorbenen Peter Schwarz erinnern - an Omas Bruder Feiv’ke, der einen neuen Namen annahm und nach der Befreiung dort blieb, wo er im Lager inhaftiert war. Und es gibt den Cousin Uwe, der seinerseits auf Ahnenforschung geht, Kontakt nach Israel aufnahm und versucht, Dinge herauszufinden. Denn erzählt hat sein Vater Peter so gut wie nichts, seine Vergangenheit war tabu.
Ist das nicht »Schnee von gestern?«, fragen sich manche. Was genau die verstorbenen Großeltern erlebten und ob es so oder ganz anders war - ist das heute noch wichtig? Dieser Dokumentarfilm zeigt auf hinreißende und bewegende Weise, wie viele Fragen zu unserer Familiengeschichte uns beschäftigen und was die Antworten mit uns machen können. Yael stammt aus einer „typisch israelischen“ Familie, was die Vergangenheit angeht. Ihre Mutter - Tochter einer Holocaust-Überlebenden - hat zuerst große Bedenken bei der Annäherung an den Brandenburger Teil der Familie. Ist das überhaupt Familie? Dass Feiv'ke nicht nach seiner Familie suchte und stattdessen am Ort der Täter blieb, kann sie schwer verzeihen. Doch sie versucht zu verstehen, setzt sich immer wieder mit ihrer Tochter Yael auseinander - sehr oft am Grab der Großmutter, das sie gemeinsam besuchen.
Und auch Yael, als Vertreterin der „3. Generation“, schaut neu und anders auf ihre Familie. Wir fühlen mit ihr, wenn sie sich berichten lässt über Peter, den ihre Großmutter so sehr vermisste. Schließlich ist sie bereit, die seit Kindertagen vertraute Geschichte neu zu erzählen. Wir als Publikum sind um so viele Geschichten reicher geworden: um unglaubliche, um schwer begreifliche, um wunderschöne. Wir sind Menschen begegnet und haben Begegnungen unter ihnen erlebt. Wir haben uns gefreut und vielleicht ein bisschen geweint - was kann ein Film mehr erreichen?
Petra Wille
Buch: Yael Reuveny
Regie: Yael Reuveny
Kamera: Andreas Köhler
Musik: Volker Bertelmann
Produktion: Made in Germany Filmproduktion, Black Sheep Film, Melanie Andernach
Bundesstart: 10.04.2014
Start in Dresden: 10.04.2014
FSK: o.A.