Like Someone in Love
Alles passt tadellos. Geduldig perlt der Champagner in den Gläsern, Kerzen und Stereoanlage leuchten zärtlich, ein letzter Blick in den Shrimpstopf, der auf dem Herd duftet und einer zur Uhr; bis Mitternacht fehlt kaum eine Stunde und alles fühlt sich gut an. Es ist, als schlüpfe man in Jemandes angewärmte Pantoffeln, käme nach Hause, spätabends, müde und dankbar. Die da aus dem Taxi steigt, nachdem sie traurig und todmüde eine Stunde von Tokio nach Yokohama chauffiert wurde, und die sich gleich der beschriebenen Romantik ergeben wird, heißt Akiko, ist Soziologiestudentin und Callgirl und befindet sich auf dem Weg zu einem Kunden. Sie hat keine Ahnung, dass ein weißhaariger Zausel sie erwartet, ein Professor für Soziologie, der in einem behaglichen Schlupfwinkel aus Bücheregalen und Teppichen haust, wo an der Wand ein Bild aus ihrer Kindheit hängt und das Foto der verstorbenen Ehefrau ihr selbst aufs Haar gleicht. Höflich plappert sie, wandert sorglos umher und lockt ihn dann, nur sparsam frivol, nachdem sie unter seine Bettdecke geflüchtet ist. Fast fünfzehn Jahre trug Abbas Kiarostami (Goldene Palme für »Der Geschmack der Kirsche«) diese verheißungsvolle Szene zwischen Professor und Callgirl mit sich herum. Ehe er selbst alt genug war und verständig, um zu begreifen, welche Art Abend das wäre, an dem ein Mann sich eine Hure ruft. Fünfzehn Jahre, ehe ihm auch in den Sinn kam, den Film in Japan anzusiedeln. Wo alles zusammenkommt: Bildung und Betragen, Kultur und Kurtisane, vor allem aber Einsamkeit als gesellschaftliche Klammer.
Kiarostami fand Tadashi Okuno, einen Schauspielamateur, und Rin Takanashi, ein attraktives TV-Serien-Gesicht, nahm beide an die Hand, ohne ihnen mehr zu verraten als die jeweils bevorstehende Szene und drehte chronologisch. Mit verbundenen Augen quasi tasten sich beide vorwärts. Hinterlassen Lücken und Fragen, entwirren kaum die losen Enden und gelangen so in äußerst poetische Situationen: Wenn der Verlobte Akikos ins Auto ihres Freiers steigt, freilich ohne zu wissen, dass Akiko als Callgirl arbeitet und dem Mann sein Herz ausschüttet in dem Glauben, der sei ihr Großvater - Dann knistert die Luft.
alpa kino
Buch: Abbas Kiarostami
Regie: Abbas Kiarostami
Darsteller: Tadashi Okuno, Rin Takanashi, Denden, Ryo Kase, Reiko Mori, Kaneko Kubota, Ryota Nakanishi
Kamera: Katsumi Yanagijima
Produktion: Euro Space, MK2 Productions, Abbas Kiarostami, Charles Gillibert, Nathanaël Karmitz
Bundesstart: 27.02.2014
Start in Dresden: 27.02.2014
FSK: ab 6 Jahren