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Cranko

Drama, Deutschland 2024, 128 min

Dass der Ballettchoreograf John Cranko seiner Homosexualität wegen aus London nach Stuttgart zieht, klingt aus heutiger Sicht ziemlich verrückt. Anfang der 1960er Jahre beginnt London zu swingen, die Landeshauptstadt von Baden-Württemberg gleicht eher einem verschnarchten Provinznest. Und doch startet Cranko genau hier seine furiose Karriere als Erneuerer des Balletts. Erstaunlich auch, weil ihm keine Tänzerinnen nach Stuttgart folgen, sondern Cranko vor Ort aus den „Leftovers“ der damaligen Tanztruppen ein neues Ensemble formt. Viele Jahre später, wenn seine Compagnie an der Metropolitan Opera in New York gastiert, nennt die Welt sein Werk und seinen Stil „das Stuttgarter Ballettwunder“. Doch zunächst versucht der in Südafrika geborene Cranko, behutsam seine neue Bühnensprache zu buchstabieren. Die jungen Egon Madsen, Richard Cragun, Birgit Keil oder Crankos eigentliche Muse, die Ballerina Marcia Haydée, hängen staunend an seinen Lippen. Cranko erweitert den Sprachschatz des Tanzes, als füge er einem Wörterbuch neue Bände hinzu. Bände voller Poesie. Perfektionierte Tanzschritte wischt er fort und ersetzt den frei werdenden Raum mit ganz viel Emotionen und Ehrlichkeit, klaren, dramatischen Strukturen, um Geschichten neu und viel nuancierter zu erzählen. Akrobatik wandelt sich zu Gefühl und zu Geschichten. Weil: Zu beiden bringen Zuschauerinnen und Zuschauer eine Schnittstelle mit in die Aufführung. Genau hier gilt es anzudocken. Und wie seine Choreografien aus der Zukunft zu stammen scheinen, beeindrucken auch seine Probenarbeit, seine kleinen Exzesse und sein Selbstverständnis, mit dem der Tanz und die Liebe all sein privates Leben durchdringen. Für Cranko hören Gefühl und Gemeinschaft nicht beim Verlassen der Garderobe auf. Neben Sam Riley als Choreograf Cranko tanzen hier die derzeitigen Weltstars des Stuttgarter Ballets Friedemann Vogel, Jason Reilly oder Elisa Badenes in den Rollen ihrer Helden und Vorbilder.
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