10. Oktober 2019

Am Ende überschlagen sich die Happyends

Kritik, Pro & Contra - »Downton Abbey«
Am Ende überschlagen sich die Happyends

Eine Erfolgserie aus dem TV für die große Leinwand aufpolieren. Kann das funktionieren? Unsere Kritiker sind da gespaltener Meinung.

Pro

Downton Abbey im Jahr des Herrn 1927: König George V. und Königin Mary kündigen ihren Besuch an. Welche Ehre, aber anderseits: So viele noch im alten Stil bewirtschaftete Adelssitze, die sie ansteuern könnten, gibt’s ja auch gar nicht mehr. Der Earl of Grantham (Hugh Bonneville) und seine Frau Cora (Elizabeth McGovern) tragen die gewichtige Botschaft denn auch mit Fassung, Grandma, soll heißen die Dowager Countess of Grantham (Maggie Smith) zieht pikiert die Augenbrauen hoch. Die Royals im County, nun ja. Sie verabscheut die Erhitzung, das Derangement. Aber wie dem auch sei: Repräsentiert werden muss. Die Dienerschaft lüftet mal so richtig hart durch, das Silber muss dringend geflimmert werden, doch Butler Barrow (Rob-James Collier) hat noch nicht die nötige Routine. Der ehemalige muss her: Carson (Jim Carter) wird zu seinem größten Vergnügen aus dem Ruhestand geholt und dirigiert alles mit größtmöglicher Distinktion. Keine Gefühlswallungen, ein Anheben seiner Augenbraue genügt. Der Arroganz der royalen Hausbediensteten, die in Downton Abbey alsbald die Regie übernehmen ist allerdings auch er nicht gewachsen. Da hilft nur etwas kriminelle Energie, die überraschenderweise Lady Marys Zofe Anna Bates (Joanne Froggatt) aufbringt. Sie legt die Londoner lahm, die Hausangestellten reißen das Ruder wieder an sich und steuern den großen Tanker sicher durch die Fährnisse des königlichen Besuches, nur Molesley (Kevin Doyle) tanzt etwas aus der Reihe, so Auge in Auge mit seinem König...

Für Fans ist der Film zur britischen Adelsserie logisch ein Muss. 2015 endete sie mit der sechsten Staffel, sehr zum Leidwesen aller angefixten temporär Rückwärtsgewandten. Sie bot so wunderbare Erholung von den unübersichtlichen Zeitläuften. Alles klar und harmonisch nach Zeitstrahl und Dienstgrad geordnet und so schön anzuschauen. Der Begriff „Ausstattung“ hätte für »Downton Abbey« erfunden werden müssen. In der Schauburg wirken die Crawleys zunächst merkwürdig fremd auf der großen Leinwand, obwohl wir sie im Chaplin-Saal wieder sehen, soviel Fläche ist ja da nicht. Zuhause haben wir ihnen in düsteren familiären Zeiten beim Abendbrot zugeschaut, nicht ganz astrein in Sachen Kindererziehung, schon klar, so Film beim Essen, aber ein viertel Jahr lang waren sie unsere Ersatzfamilie. Ach, wir hätten auch die doppelte Dosis genommen, zwölf Staffeln mindestens. Selbst die Simpsons konnten den Crawleys eine Zeit lang nicht das Wasser reichen, zu groß war unser Harmoniebedarf. 

»Downton Abbey« der Film ist für uns ganz klar ein langerwartetes Familientreffen, ein glückliches Wiedersehen mit souverän agierenden Lieblingsmuttis,  -tanten und Omis, gediegen und geschmackssicher. Wir kommen auf unsere Kosten, guten Appetit, ja danke, gern noch ein Nachschlag. 

Aber das Unbeteiligten-Auge schaut schon auch mit und fragt sich, was der Aufwand eigentlich soll. Die Dramaturgie ist, sagen wir mal fragwürdig, außer dem Königsbesuch als fadenscheinigem Anlass, der Serie ein Filmthema aus dem Rippen zu schneiden, passiert praktisch nix. Nur Branson (Allen Leech), der ehemalige Chauffeur, kriegt endlich eine Frau, das war ja auch einfach dran jetzt. Alles was geschieht, ist unfassbar vorhersehbar, Staunen findet also nur darüber statt, dass die Regie punktgenau abliefert, was erwartet wird. Null Überraschung, aber 200 Prozent Bestätigung. Kann man sich ja auch mal abholen. Ach Du schöne rosige kleine Klischee-Welt, ganz ohne Dich ist das Leben einfach bisschen kühl im Herbst, trotz Klimakatastrophe.

Grit Dora

 

Contra

Wie die meisten Fans habe auch ich mich voller Erwartung in den Kinofilm zu einer der besten Serien der letzten Jahre auf den Weg gemacht. Nicht zufällig wurde sie mit drei Golden Globes und 15 Emmys ausgezeichnet. Eine gute Story, die intelligent zeithistorische Ereignisse einbindet, ergänzt durch hervorragende Schauspieler, wunderbare Kostüme und eine malerische Kulisse. Und doch fand ich, hat im Film nicht alles gestimmt.

Zunächst, worum geht es im Film genau? England 1927. Eine Nachricht versetzt Downton Abbey in Aufruhr. Der König höchstselbst mit Gattin plant, dem adligen Anwesen der Familie Crawley einen Besuch abzustatten. Die Hoheiten befinden sich auf der Durchreise zu einem Ball. Dass in kürzester Zeit eine Parade, ein royaler Lunch und ein Dinner vorbereitet werden müssen, lässt den Stresspegel allein schon in die Höhe fahren. 

Dass das royale Paar seine Entourage mitbringt und das hauseigene Personal somit zu Statisten deklassiert, setzt dem Ganzen sozusagen die Krone auf. Das können sich die Hausangestellten unmöglich bieten lassen. Amüsant und trickreich setzen sie das gegnerische Team außer Gefecht. Es wird noch um eine Erbfrage und ein wenig um zeitgeschichtliche Ereignisse gehen.

Zu Beginn bin ich überwältigt vom Licht, der Atmosphäre und dem erhabenen Soundtrack, mit dem die ersten Einstellung daherkommen. Ich bin mir sicher, einige Sets hätte man früher in Gemälden festgehalten. Ein paar anfängliche Unschärfen in der Kameraführung und in die Sonne gefilmte Bilder .. anyway. 

Was mir aber viel deutlicher auffiel war etwas anders. Man muss die Serie schon kennen, um den Film endgültig verstehen zu können, ansonsten wird man mit den einzelnen Charakteren nicht wirklich viel anfangen können. Wer ohne Vorkenntnisse einfach einen wunderbaren britischen Kostümfilm à la »Gosford Park« sehen wollte, für diejenigen wäre eine kleine Einführung zu Beginn hilfreich gewesen. Eine andere Sache ist das Tempo, das im Vergleich zu den Serien ungewöhnlich hoch ist. Dem Serienfan könnte das ein wenig befremdlich erscheinen. Die zeitgenössischen Ereignisse fand ich, waren zu wenig und zu marginal angerissen. 1927 hätte es da sicher noch das eine oder andere Thema gegeben. Am Ende überschlagen sich dann die Happyends, dass es einen fast erdrückt.

Und trotz 122 min Länge habe ich den Eindruck, dass der Film plötzlich zu Ende ist. Oder anders, 2,5 Stunden hätte der Film gut vertragen. Ok, bei »Ray«, dem Biopik zu Ray Charles hatte ich selbst nach zweieinhalb Stunden das Gefühl, dass plötzlich Schluss ist. 

Insgesamt kann trotzdem gesagt werden, dass »Downton Abbey« ein sehenswerter und grandios gespielter Film ist, besonders von Hugh Bonneville als Earl of Crawley, Jim Carter, dem Mr. Carson und Phyllis Logan als Mrs Hughes. Und die verbalen Attacken zwischen Maggie Smith, die Dowager Counters of Grantham und Penelope Wilton, der Isobel Crawley halte ich für die Brillanten des Filmes.

Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) lässt sich in ihrer Kritik zu einem „Prädikat wertvoll‘“ hinreißen, gibt letztendlich dennoch nur 3,5 von 5 Punkten, was ich dann doch ein bisschen wenig finde. 

BSC

https://www.universalpictures.at/downtonabbeymovie