4. August 2020

Romantik ja, aber wie

Petzold geht konsequent dramaturgisch vor – Betrachtungen zu »Undine«
Romantik ja, aber wie

Tränen rinnen, ein Wasserhahn tropft, ein Becken birst. Sein Inhalt ergießt sich mit veritablem Schwapp über zwei Menschen, die gleich darauf zum Paar werden, zum romantischen Liebespaar. Undine, Wassernymphe mit der Lizenz beziehungsweise dem Fluch, untreue Liebhaber zu töten, hat sich für ihren Aufenthalt in der Gegenwart als Historikerin getarnt und erklärt allen, die es wissen wollen, die stadtplanerische Entwicklung Berlins anhand eindrucksvoller Modelle. Christoph, Industrietaucher und irgendwie Schöngeist, schwer beeindruckt von ihrem spröden Verve, rempelt vor Begeisterung ein Aquarium um. Nach dem großen Schwapp beginnt die Liebe, riesig und unendlich tief wie das Meer, so intensiv, dass einem um die beiden Liebenden von Anfang an bange ist. Wie soll diese maximale Intensität in den Alltag überführt werden? Auch wer den Undine-Mythos von Friedrich de la Motte Fouqué bis Ingeborg Bachmann nicht ganz auf der Pfanne hat, kann anhand der Symbolik (Blutstropfen auf weißer Bluse, Scherben auf billigem Linoleum, Rotwein-Lache an blauer Wand und viel Johann Sebastian Bach im Hintergrund) unschwer ahnen, dass diese Beziehung keine große Chance auf ein umarmendes Großfamilien-Ende hat. Das Kap des Glücks ist rasch erreicht, es folgt der Absturz, nicht ins Bodenlose, aber doch tief unter Wasser. Dort finden sich die beiden Liebenden noch einmal zur Übergabe eines Liebeszeichens zusammen, einer hübschen Taucherfigur, Jules Verne lässt grüßen.

Regisseur Christian Petzold geht im Zweifelsfall immer konsequent dramaturgisch und eher sperrig vor, er legt Spuren, auf die man sich einlassen können muss, der Reiz seiner Filme ergibt sich aus ihrer Bildmächtigkeit, gekoppelt mit dem Unausgesprochenen. Das letzte eindrucksvolle Beispiel ist »Transit« (2018), genial der Kniff, die Handlung der Anna-Seghers-Erzählung in die Gegenwart zu verlegen. Bei »Undine« ahnt man eine ähnliche Vorgehensweise, nur läuft der Film leider ins Leere. Paula Beer und Franz Rogowski sind, wie in »Transit«, ein grandioses Liebespaar, werden aber von der bedeutungsschwangeren Zeichenhaftigkeit und der simplen Erzählstruktur platt gemacht. Undine-Mythos und Berlin-Bebauung, das Alte, das Neue, die Brachen in den Stadtlandschaften, den Köpfen, den Herzen – das ist schon gut miteinander verwoben und alles hat mit allem zu tun. Es bleibt aber beliebig. Fortschritt ist praktisch unmöglich, heißt es in einer Szene anhand der Problematik des Berliner Schlosses. Immerhin eine Aussage, eine Spur, was Petzold in diesem Film vielleicht gegeneinander stellen wollte, Vision und Restauration am Beispiel der Wiedergängerei von Preußens Gloria in Berlins neuer Mitte. Aber der Faden verliert sich gleich wieder. Allein die beeindruckende Performance von Beer/Rogowski bleibt haften. Romantisch ja, aber wie. Ansonsten ein leider nicht lesbarer Film, zu simpel und zu konstruiert zu gleich. Verdammt schade.

Grit Dora

http://undine.piffl-medien.de