Vika!

Heutzutage weiß ja keiner mehr so recht, ob irgendetwas cool ist oder cringe, obendrein, wenn es deine Oma ist, die durch die Clubs tingelt! Vika ist vierundachtzig Jahre alt, die älteste DJane in Europa und sie ist der Star in der Warschauer Nachtclubzene. Es waren ein wenig Notwehr, ein wenig Langeweile und eine Riesenportion Lebenslust, die sie kurz nach Renteneintritt ans DJ-Pult lockten. Und wo sich die halbe Stadt in den Nächten forttanzt aus dem tristen Alltag, geht es ihr ja ähnlich, denn nur am Plattenteller vergisst sie ihre eigentliche Misere. Die sei altersüblich und beinhalte für die Witwe u.a. Einsamkeit, fehlende soziale Kontakte und schlichtweg Stille. Eine Geranie auf dem Fensterbrett wollte sie nie sein, auch nicht einfach so unsichtbar werden. Also hält Wirginia „Vika“ Szmydt dagegen und bespielt tagsüber auch Altersheime, Tanztee oder queere Straßenfeste. Sie ist eine absolute Perle und weiß lässig mit diesem schrillen Oma-Bonus umzugehen. Sie inszeniert das Alter mit einer verblüffenden Leichtigkeit. Das war nicht immer so, ihr Leben als berufstätige Mutter und Ehefrau lief im Sozialismus ganz gewöhnlich ab. Als Sonderpädagogin für Jugendliche im Knast hatte sie lange Zeit mit jungen Menschen zu tun, war aber im Grunde immer nur für andere da. Erst mit dem Tod ihres Mannes wurde ihr bewusst, dass sie noch nie irgendwas nur für sich selbst getan hatte. Da beschloss sie, ihre Liebe zur Musik zu ihrem Lebensinhalt werden zu lassen. Keine Anpassungen mehr, kein Stillhalten, nur noch Leidenschaft und wummernde Beats, ach, und schrille Klamotten. Wirginia ist schließlich in den Sixties jung gewesen.
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