29. August 2013

Diebische Kids & die Villa von Paris Hilton

Pro und Contra »The Bling Ring«
Diebische Kids & die Villa von Paris Hilton
Sofia Coppolas neuer Film über diebische Kids, die Hollywood-Promis beklauen, bietet nicht nur interessante Einblicke in die Villa von Paris Hilton. Sondern auch viele Argumente für ein Pro-Contra-Gespräch in der Redaktion des Kinokalender Dresden.

Pro
Es passiert nicht viel in Sofia Coppolas neuem Film. Eine Gruppe Teens „checkt“ Promi-Villen in Los Angeles (die Häuser von Paris Hilton, Lindsay Lohan, Orlando Bloom und anderen) und nimmt mit, was gefällt. Ausschließlich Luxusmarkenware, die Kids kennen sich aus. Chanel, Gucci, Tiffany, Vuitton, Burberry, Yves Saint Laurent, Rolex, Prada, Marc Jacobs. Schon die Namen machen “Bling“. Was lohnt sich noch, einzusacken? Ein paar Drogen aus dem Kosmetikschränkchen und die Kohle, die fast überall in unverschlossenen Stahlkassetten unter den Designerbetten liegt. VIPs sind da offenbar ziemlich einfalls- oder sorglos.
Die Mädchengang und der eine schwule Junge vom „Bling Ring“ tun es, bis man sie schnappt. Weil sie damit angegeben haben, „gestern wieder bei Paris“ gewesen zu sein und weil sie ihre Poserfotos in den Beuteklamotten auf Facebook posten. Rührend, mit welcher Naivität, sie vorgehen und erstaunlich hohl, wie sie nach der Festnahme ihre Raubzüge rechtfertigen. Schuldbewusstsein verspürt keiner, die cleversten der Bande versuchen ihre Verhaftung medienwirksam zu inszenieren, um endlich die gewünschte Berühmtheit zu erlangen. Ruhm ist der eigentliche Motor hinter den Taten. Wirklich böse kann man den mediensüchtigen Kids kaum sein, der Schaden, den die Promis vorübergehend erlitten haben, ist kein großer, auch wenn es um ein paar Millionen geht.

In einem Gespräch mit dem „ZEIT Magazin“ beschreibt Sofia Coppola, was sie an dieser Geschichte interessiert hat: „Mich hat interessiert, wie sich die Vorstellung davon, was es bedeutet, berühmt zu sein, verändert hat. Als ich jung war, ging es darum, etwas Spannendes zu machen, wofür man dann auch berühmt sein kann. Heute geht es nur noch darum, berühmt zu sein.“ Coppolas »Bling Ring« wirkt streckenweise fast dokumentarisch. Sie erzählt einfach die Geschichte nach dem wahren Fall, es gibt keine Entwicklung der Hauptfiguren, die Nebenfiguren (Eltern) bleiben blass.

Das kann man ihr zum Vorwurf machen, aber im Universum 19jähriger haben nun mal die meisten Eltern den Status von Randexistenzen. Auch in dieser Hinsicht wirkt der Film sehr real. Er endet mit der Verhaftung der Kids und ihren Statements. Die erlernte Oberflächlichkeit der Jungmenschen tut fast körperlich weh. Nach dem rasanten Einstieg, der den Spaß an den Brüchen und die schrille Faszination der Edelfummel zeigt und dem Mittelteil, der im Partyrausch schwelgt, ist das ein extrem nüchternes Ende. Es hinterlässt einen faden Nachgeschmack, in der Art eines leichten Hangovers nach einer mittelwilden Nacht. Ein anhaltendes Unbehagen. Coppola wertet nicht.

Sie stellt Atmosphären her. Und weil sie eine durch und durch visuelle Regisseurin ist, bricht sie den dokumentarischen Charakter durch eine schlafwandlerisch sichere, traumhafte Oberflächenoptik. Bilder, Sound und Schriften - alles ist auf dem Punkt. Selber Fashion-Ikone, führt sie die schicken Teile so verlockend vor, dass man auch gern zugreifen würde. Sie zeigt den Spaß, den man damit haben kann. Schon irre, dieser Lifestyle. Nur ohne Köpfchen kann man eben nichts damit anfangen.
Grit Dora

Contra:
„Ich habe versucht emphatisch zu sein, nicht wertend. Ich will damit nicht sagen, dass das, was sie getan haben, okay war. Aber ich möchte, dass sich die Zuschauer ihr eigenes Urteil bilden. Ich mag dem Publikum grundsätzlich keine Gefühle vorschreiben. Es zeigt einfach, wie unsere Kultur Kinder beeinflussen kann, die von ihren Familien keine stabilen Werte vermittelt bekommen.“

Tja, Frau Coppola, Ihr Anliegen in allen Ehren. Allerdings klaffen bei „The Bling Ring“ Ist- und Sollzustand sehr weit auseinander. Denn auch wenn Frau sich als Filmemacherin einer Wertung der Protagonisten verweigern will, sollten bei einer Laufzeit von 90 mehr als zehn Minuten Handlung möglich sein.

Die Prämisse von »The Bling Ring«, die wahre Geschichte jugendlicher Celebrity-Süchtiger bei ihren Diebestouren durch die Hollywood Hills zu zeigen, bietet wahrlich genügend Stoff für einen wahlweise kritischen, bösen oder einfach nur unterhaltsamen Kommentar zu den teilweise absurden Auswüchsen der Promikultur, in der Figuren wie Paris Hilton oder Kim Kardashian angehimmelt werden. Wofür, ist mir persönlich bis heute ein Rätsel. Dass sie ausgerechnet von einer Bande ruhmgeiler Teens ausgeraubt wurden, die sich selbst zu ihren Fans zählen, ist an sich schon an Ironie kaum zu übertreffen. Coppola zeigt die Einbrüche in ihrem Film mit nur geringem Willen zur Variation als immer gleiche „Shoppingtour“ durch Anwesen und Kleiderschränke, gefolgt von Partyszenen, in denen sich die Diebe selbst in ihrem neuen Fummel feiern. Einzig die musikalische Untermalung wechselt, kann aber die Ideenarmut der Geschichte kaum kaschieren.

Aber woher nehmen, wenn nicht vorhanden? Leider bin ich mir ziemlich sicher, dass die Personen, die »The Bling Ring« porträtiert, tatsächlich nicht viele Denkprozesse vorweisen können, die es wert wären, sie in einen Film einzufließen zu lassen. „Es zeigt einfach, wie unsere Kultur Kinder beeinflussen kann, die von ihren Familien keine stabilen Werte vermittelt bekommen.“ Bingo, Frau Coppola: Genau hier liegt der Schlüssel, mit dem Sie das Tor zu einem wirklich ehrlichen Blick auf die Zustände der westlichen Gesellschaft hätten öffnen können. Nicht die Kinder sind das Übel, sondern Eltern, die sich selbst wie Lohan & Co. benehmen, ihren Kindern „Karrieren“ im Showbiz eröffnen wollen und mit obskuren Gebetskreisen völlig falsche Werte vermitteln. Kurz, leider viel zu kurz, nimmt »The Bling Ring« darauf Bezug und feiert sich lieber selbst als der Film, der in der echten Villa von Paris Hilton drehen durfte, wie Regisseurin Coppola stets in jedem Interview betont.

Woher die Kinder ihre harten Drogen bekamen, wie sie in der Schule trotz durchzechter Nächte offenbar weiterhin mithalten konnten und warum scheinbar kein Erwachsener in ihrem Umfeld auf ihre neuen Outfits aufmerksam wurde, bleibt unausgesprochen. Dass einige der Täter nach ihren verbüßten Haftstrafen nun im amerikanischen Fernsehen ihren Traum vom Berühmtsein weiterleben dürfen, ist ein weiteres bitteres Zeugnis einer Kultur am Abgrund. Aber auch das bildet »The Bling Ring« lieber nur ab, statt es zu werten.
Aber Vorsicht, Frau Coppola: Manchmal macht man sich durch tatenloses Zusehen auch zum Mittäter.
Csaba Lázár

http://theblingring.de