29. Mai 2017

Weniger Philosophie, mehr Viecher

Pro & Contra – »Alien: Covenent«
Weniger Philosophie, mehr Viecher

„Im Weltall hört dich niemand schreien.“ In der Redaktion des Kinokalender Dresden schon – vor Freude und vor Wut über den neuen »Alien«-Film.

Pro:

Fünf aufregende Jahre liegen hinter den Fanboys und -girls der „Alien“-Reihe. Nach dem bei Kritikern und Publikum nur mäßig aufgenommenen »Prometheus« war lange unklar, welche Richtung das Franchise nehmen würde: Belässt man es bei dem einen Sequel und gibt stattdessen »District 9«-Regisseur Neill Blomkamp die Chance, seine Idee einer Fortsetzung des 1986er »Aliens« zu verwirklichen? Oder darf sein Kollege Ridley Scott nochmal ran, um seinen Querschläger von 2012 zu berichtigen? And the winner is: der 79-jährige Brite Scott! Als Verschwörungstheoretiker von Welt vermute ich natürlich, dass dies rein kommerzielle Gründe hat. Denn während Blomkamp mit seinen Werken »Elysium« und »Chappie« an den Kinokassen baden ging, gelang seinem inoffiziellen Widersacher mit »Der Marsianer« zuletzt ein Blockbuster allererster Güte.

War es die richtige Entscheidung? Für leicht zu beeindruckende Cineasten wie den Autor dieser Zeilen, die man mit schöner Optik schnell einlullen kann, auf jeden Fall! Denn das, was der alte Mann auf dem Regiestuhl hier visuell auffährt, ist die – Achtung, »Lommbock«-Anspielung – „Jacobs-Krönung“ des Kinofrühlings 2017. Überhaupt fällt auf, dass »Alien Covenant« viele seiner Themen – Allmachtsfantasien, Schöpfungsmythos, Wunsch nach ewigem Leben, Gleichberechtigung – vornehmlich auf der Bildebene präsentiert. Wohl auch, damit auf der Tonspur mehr Platz ist für das panische Gekreische, sobald die flinken Aliens auf die Jagd gehen.

Weniger philosophischen Überbau, mehr biestige Viecher – Regisseur Scott hat das Grummeln seines Publikums nach »Prometheus« offenbar vernommen und die richtigen Schlussfolgerungen gezogen. Dass er dabei nicht noch einmal die Wucht des von ihm selbst vor 38(!) Jahren inszenierten Erstlings erreicht, überrascht sicherlich niemanden. Die Frage ist vielmehr, ob er der Reihe Atmosphäre, Suspense und Substanz zurückgeben kann, auch wenn der Storyverlauf alles andere als innovativ ist?

»Alien Covenant« gelingt das über weite Strecken richtig gut. Anspruch und Action halten sich die Waage, das Klaustrophobische des ersten Teils ist ebenso wieder präsent wie der blutige, temporeiche Terror des zweiten. Mittendrin die Spezies Mensch, die obsolet wird in einer Welt, die sich Fressmaschinen auf der einen und künstliche Intelligenz auf der anderen Seite untereinander aufteilen.

Mag der Film stellenweise etwas unentschlossen wirken, es ist Ridley Scott hoch anzurechnen, dass er die Wünsche der Fans respektiert und gleichzeitig versucht, sein in »Prometheus« begonnenes inhaltliches Konstrukt weiterzuführen. Kein Meilenstein, aber eine würdige Ergänzung zum Alien-Filmuniversum.

Csaba Lázár

Contra

In der Vorbereitung habe ich meines Erachtens alles richtig gemacht, um sich einen »Alien« Film anzuschauen. Spätvorstellung gebucht, eine filmaffine Dame an der Seite und ein nichtalkoholisches Getränk im Becherhalter. Ein wenig dröge fängt »Alien:Covenent« an, aber nach dem Vorläufer  »Prometheus«  war man ja auf etwas schwobelige Philosophie vorbereitet. Doch diese seltsame Metaphern schwangere Erzählweise zieht sich hier (wieder) durch den ganzen Film und enttäuscht am Ende einmal mehr den Alienfreund. Nichts, wirklich gar nichts deutete in den bisherigen Verfilmungen auf irgendwelche "Schöpfer" hin, und selbst nach diesem, nunmehr zweiten Film, gibt es keine Aufklärung um das Wer, Wie und Warum. 

Stattdessen strotzt der Film vor unlogischen Inhalten und merkwürdigen Szenen, die für eine Direct-to-DVD Produktion vielleicht okay wären, aber doch nicht bei Altmeister Ridley Scott! So fragt man sich, ob die medizinische Grundausbildung des Bordpersonals nur ein A4 Merkblatt war. Denn natürlich lässt man den bluthustenden Kollegen wieder ins (einzige!) Landungsschiff ein, wenn dieser sich auf einem fremden Planeten infiziert hat. Und schießt sich dann das eigene Schiff im Überschwang auch noch selbst kaputt. Naja, immerhin hatte es offenbar auch nur zehn Minuten gedauert, um aus einer pilzigen Spore im Ohr ein vollausgewachsenes Alien zu machen. In der nahen und fernen Zukunft des Alien-Universums benötigen die miesen Biester eigentlich viele Stunden oder gar Tage (und eine große Portion meist menschlicher Verpflegung), um zu Größe und Stärke zu gelangen. Nicht zuletzt machte diese Transformation auch viel der Atmosphäre der alten Filme aus und sorgte dort für den Gruselfaktor. 

Bei »Alien:Covenent« kam hingegen keinerlei Grusel auf. Dafür viel Kopfschütteln, zum Beispiel, wenn der von Michael Fassbender dargestellte Android Walther den Missionscaptain bittet, sich doch mal eines der Alieneier genauer anzuschauen. Und der guckt da wirklich rein! Nachdem Walther die ganze Zeit schon äußerst seltsam daherkommt und Captain Crudup in einen dunklen Keller lockt, der an sich schon wie Josef Fritzls Familienkerker wirkt. Wirklich gruselig waren einzig Szenen wie die zwischen Walter und seinem jüngeren Ich, David, bei dem sie sich, fünf Minuten lang, das Flöte spielen beibringen. Selbst für meine liebliche und sehr tolerante Begleitung war dieses verkappte Intro für einen schwulen 80er Jahre Softporno, zu viel des Guten. Wir wollen Gemetzel! Die menschlichen Akteure sind im Film eh nur Statisten, alles beginnt und alles endet mit den künstlichen Fassbenders. Und dass in deren finalem Endkampf der "böse" Android gewinnt - was für eine Überraschung. 

So hinterlässt mich dieses Prequel mit mehr Fragen als Antworten. Warum gibt es später eine Alienkönigin, die Eier legt, wenn doch aus winzigen Sporen innerhalb weniger Minuten komplette Aliens entstehen? Warum sieht das Alien, aus einem Menschen geschlüpft, aus wie eben die alten Originale, das Wesen auf dem Schöpferplaneten aber fast wie ein Mensch?

Wo sind all die Kreaturen, die jene Schöpfer eben befallen haben? Und warum muss es am Ende tatsächlich der Android Walter sein, der offenbar der Auslöser und eigentliche Schöpfer für alle weiteren Weltraumschlachtereien ist? Im Nachhinein wäre es besser gewesen, "Alien" wäre wirklich das "Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt" geblieben.

PS: "Suspens und Bilderrausch" kamen bei mir nicht auf. Vielleicht saßen wir zu weit von der Leinwand entfernt.

Pinselbube

http://www.fox.de/alien-covenant