4. Mai 2022

Köpfe und Kritiker spalten

»The Northman« mit Alexander Skarsgård erzeugt Begeisterung und Kopfschütteln
Köpfe und Kritiker spalten

Nach den vielen trüben Monaten des Coronaprogramms und den üblichen Comicverfilmungen, schickte sich ein Trailer an, großes Kino zu zeigen: The Northman. Bärtige Männer, anmutige Damen, Schwerter, Äxte, Boote und Gemetzel – Juhuuuuu! Doch wohl dem, der erst einmal abgewartet hat, was die ersten Sichtungen tatsächlich hergeben. Die Reaktionen fielen nämlich sehr ernüchternd aus. Sowohl Internet als auch der Freundeskreis zeigten sich verwirrt, enttäuscht und sogar wütend! Langeweile traf auf vorzeitiges Verlassen des Kinosaals. Und das zu Recht – selten hat ein Trailer ein so falsches Bild vermittelt, wie hier.
Jeder, der sich für diese Art Schauspiel interessiert, hatte sich die Serie Vikings angesehen und erwartete nun solch ein Spektakel auf der großen Leinwand! Tod des Wikingerkönigs Aurvandill durch den Bruder, sein Sohn sieht es mit an, kann entkommen und sinnt auf blutige Rache. Angesichts der Muskelberge, die sich Alexander Skarsgård dafür antrainiert hat, konnte man sich auf wildes Gemetzel freuen. Eingebettet alles in brausende See und nordische Landschaften. Dazu noch die zarte Anya Taylor-Joy und die alterslose Nicole Kidman – möge der Epos beginnen! 

Aber statt die weiten Wiesen und Wälder zu zelebrieren, hält die Handkamera auf die Gesichter. Und alles umher ist grau, dunkel, trübe. Statt mit wilden und lustigen Saufgelagen präsentiert sich der Königshof als steifer, humorloser Ort. Und als im zweiten Teil die Reise auf einen Bauernhof von Schafzüchtern führt, wird es erst einmal nicht viel spannender. Der Sprechtext im Drehbuch dürfte keine zwei DIN A4 Seiten gefüllt haben und vom erhofften Wikingerleben ist nicht viel zu sehen. Ob die Handlung nun anno 890 im hohen Norden oder 1491 im Thüringer Wald spielt, ist letztendlich egal. Da passt das Bierchen, der 1,5l Cola Becher und der süße Popcorndunst so gar nicht zur Stimmung. 

Doch die Filme von Robert Eggers waren bislang auch sehr speziell (Der Leuchtturm 2019) und so ist auch dieses Werk eben nicht von der Stange. Beinahe ist es schon ein Kammerspiel, ein Porträt eines Mannes, der im Gedanken der ewigen Rache gefangen ist, der sein Leben verschwendet, der einem Trugbild nachjagt, der am Ende keine Erlösung finden kann. Es ist keine große, historisch angelehnte Kinogeschichte, es ist Shakespeare, mit einer Prise Fliegenpilzrausch und abgehackten Köpfen! 

Weiß man darum, kann diese Reise ins „Herz der Finsternis“ durchaus mitreißen und beeindrucken. Für einen Klassiker der mittelalterlichen Seeräuberei, reicht es aber nicht. 


Pinselbube