3. Mai 2014

Superhelden mit politischen Themen

Im Nachgang »The Return of the First Avenger«
Superhelden mit politischen Themen
Der Superheld, der in Deutschland nicht »Captain America« genannt werden soll, bestreitet seinen zweiten Soloauftritt unter dem Marvel-Banner – und überzeugt abermals.
Ist es Zufall oder ein von höherer (Marvel Studios-)Gewalt inszenierter Versuch, Nichtfans wie den Autor dieser Zeilen zu bekehren? Denn wieder einmal war es ein ungeplanter (sprich: von der Begleitung finanzierter) Kinobesuch, der zu »The Return of the First Avenger« (im Original: »Captain America: The Winter Soldier«) führte und mit einem begeisterten Staunen endete. Selbiges geschah übrigens zuvor bei »Iron Man«, »Thor« und »Iron Man 3«. Als persönliches filmisches Armageddon entpuppten sich hingegen »Iron Man 2« sowie »Avengers«, deren Kinotickets aus meinem Portemonnaie bezahlt wurden. Ergo: Comicverfilmungen ab sofort nur noch nach Einladung gucken!
Aber genug der Verschwörungstheorien, hinein in die Lobhudelei. Denn was die Regisseure Anthony und Joe Russo hier vorgelegt haben, ist erstens nur am Rande ein "typischer Superheldenfilm" und zweitens somit auch für all jene interessant, die actionreiche Thriller mögen, die sich aktuellen politischen Themen nicht verschließen. Dies verwundert um so mehr, da der titelgebende Charakter die in Europa oftmals empfundene Überheblichkeit seiner Nation faktisch im Namen trägt, die Figur an sich dieses Denken jedoch kaum nach außen transportiert. Steve Rogers alias Captain America (Chris Evans) ist vielleicht sogar die unamerikanischste aller Marvel-Figuren, zumindest in den bisher entstandenen zwei Filmen.

In »The Return of the First Avenger« äußerst sich dies in einem Plot, der unüberseh- und hörbar von der NSA-Affäre, dem „Krieg-gegen-den-Terror“ sowie der Gefahr unbegrenzter Technisierung beeinflusst ist: Die Organisation S.H.I.E.L.D., für die Rogers tätig ist, versteht sich als weltumfassende Schutzmacht, die zur Prävention von Attentaten sämtliche Überwachsungsmöglichkeiten nutzt und nun mit einer neuen Technik potenzielle Bösewichter schon vor ihren Taten aus dem Verkehr ziehen will (»Minority Report«, ick hör dir trapsen!). Rogers macht gegenüber seinem Chef Nick Fury (Samuel L. Jackson) seinen Unmut diesbezüglich deutlich, was diesen jedoch wenig schert. Als Fury einem Anschlag zum Opfer fällt, gerät Rogers in Tatverdacht und ergreift die Flucht – verfolgt von einer allwissenden Staatsmacht, deren Handlungsmöglichkeiten unbegrenzt sind (»Bourne«, ick hör dir trapsen!).

Nicht nur dank der Mitwirkung von Schauspieler-Urgestein Robert Redford (»Die drei Tage des Condor«) erinnert inhaltlich Vieles in »The Return of the First Avenger« an die spannenden Politkrimis der 1970er Jahre: Was dürfen Entscheidungsträger? Welche Mittel nutzen sie? Kennen sie moralische Grenzen? Auch die – zumindest in der ersten Filmhälfte – angenehm realitätsnah gehaltenen Actionszenen können überzeugen: Ohne Rücksicht auf Kollateralschäden gehen die Gegner des Helden vor, agieren skrupellos und mit aller notwendigen Härte, um ihr Ziel zu erreichen. Es mag brutal und verstörend wirken in einem Film, der hauptsächlich ein junges Publikum ansprechen soll. Für die Glaubhaftigkeit der Bedrohung jedoch ist es essenziell.

Natürlich bleibt der 136-Minüter im Kern noch immer ein Superhelden-Abenteuer. Mit zunehmender Laufzeit sind somit wieder bekannte Versatzstücke zu erkennen, die auf ein lautes Finale einstimmen, das dem üblichen "noch größer", "noch fetter", "noch lauter"-Muster folgt und den Mann im Strampelanzug in formvollendeter Aktion zeigt. Da bleiben weiterführende inhaltliche Diskurse über die angesprochenen Themen erwartungsgemäß auf der Strecke. Macht sich verständlicherweise auch blöd, wenn gleichzeitig drei Flugzeugträger-ähnliche Riesenschiffe auf einen hinunter prasseln. Das hätten möglicherweise seine Kollegen Tony Stark, Bruce Banner oder der hammerschwingende Thor verhindern können, die bleiben jedoch seltsamerweise abermals absent – ein Widerspruch, mit dem bisher alle post-»Avengers«-Streifen der Marvel-Familie zu kämpfen hatten.

Als vertane Chance sollte »The Return of the First Avenger« trotzdem nicht kritisiert werden. Vielmehr als gelungener Ansatz, die Helden des Marvel-Universums in der Realität zu verankern und nicht fernab irgendwelcher Fantasiewelten gegen computeranimierte Dreihörner kämpfen zu lassen. Sollte es gelingen, die »Captain America«-Reihe in diese Richtung weiterzuführen, könnte der »First Avenger« sogar einer meiner Lieblinge werden. Kriegt mich also doch noch rum, ihr verdammten Marvel-Bastarde, ihr!
Csaba Lázár

http://de.marvel.com/FirstAvenger/