15. Juli 2022

Kultpotential liegt in der Luft!

Nicolas Cage ist wieder da! Der in den 1990ern erfolgsverwöhnte Mime steht im Mittelpunkt einer Komödie und spielt sich selber. Kann das gut gehen? »Massive Talent«, Kritik, Pro & Contra
Kultpotential liegt in der Luft!

Pro

 

Nicolas Cage ist wieder da! Nicht, dass er je weggewesen wäre, sagt sein Agent (im Film: Neil Patrick Harris), doch das stimmt so nicht ganz. Der in den 1990ern erfolgsverwöhnte Mime (Oscar für »Leaving Las Vegas« 1996) lebt in Scheidung und schwer über seine Verhältnisse, logisch, dass beachtliche Schulden aufgelaufen sind. Seit über zehn Jahren hatte er keine Hauptrolle in einem großen Kinofilm. Gedreht hat er trotzdem jede Menge, aber eher im Verborgenen, Kunst halt. Eine fürs Comeback erhoffte Traumrolle vergeigt er durch phantastisch peinliches Overacting vor dem Regisseur, mit dem er gerade zu Abend gegessen hat. Härter als seine finanzielle Situation trifft ihn der Bedeutungsverlust. Da helfen weder Lederjacke noch forcierte Lässigkeit. Wenn schon kein Ruhm dann wenigstens Lack. Cage fliegt nach Malle, für immerhin eine Million Dollar soll er die Geburtstagsparty eines Geschäftsmannes aufwerten. Die Sache läuft aus dem Ruder, weil im Hintergrund Waffenhandel stattfindet und die CIA jemanden braucht, der sich undercover umtut… schon klar, wer hier ins Handeln kommt und zwar „mit dem schamanischen Instinkt des Schauspielers“, wie der Ausnahmedarsteller es auszudrücken beliebt. 

Regisseur Tom Gormican hat mit Drehbuch-Coautor Kevin Etten einen hübschen Plot für seinen Lieblingsschauspieler gebastelt und stellt Cages sämtliche Vorzüge groß aus. Er zitiert sich hemmungslos durch dessen Filmografie, ein Fest für alle Fans. Gormican bedient gleichzeitig den »Face Off«- und den »Wild at heart«-Faktor, indem er Nic Cage mit ziemlich billig übergezogener digitaler Maske hie und da sein jugendliches Selbst spielen lässt. Der wirft sich mit großem Verve und noch größerer Selbstironie ins Zeug und hat allergrößten Spielspaß daran, sein Rollenbild durch den Kakao zu ziehen. Der Altstar nimmt sein aufgeblähtes Künstler-Ego auf die Schippe, zeigt viel Stoneface und Brustfell zum roten Bademantel. Knapp unterm Augenlid verbirgt er sein Wissen über die Vergeblichkeit des eitlen Tuns. Das ist wahnsinnig charmant, ganz besonders im Zusammenspiel mit seinem kongenialen Partner. Pedro Pascal spielt den cinephilen Waffenhändler Javi mit schmelzendem Hingegebensein an sein Fan-Dasein, mit so unfassbar süßer Cocker-Spaniel-Nettigkeit, dass man ihm permanent die Plüschohren kraulen möchte. Wer glaubt denn da an wirkliche Gefahr? Ist eh alles Kino. Pascal und Cage legen eine astreine Bromance hin, die stärker nachwirkt als das Familienabziehbild, auf das im Finale leider alles gnadenlos zusteuert. Was sich der Regisseur wohl dabei gedacht haben mag? Mal schnell eine Lanze für die klassische Kleinfamilie brechen, weil die gerade nicht en vogue ist? Egal und Schwamm drüber. Haften bleibt garantiert die sensationelle Schuhtausch-Szene unter Männern. Kultpotential liegt in der Luft. 

Grit Dora

PS: Nicolas Cage wird bei Wikipedia als namhafter Overactor aufgeführt.

PPS: In der Arte-Mediathek gibt es ein feines „Blow up“-Video: »Wild at heart« in fünf Minuten. Da brennt es so schön komprimiert wie sonst nur noch bei »Inglourious Basterds«.

 

Contra

 

Eine wirklich wunderbare Idee liegt dem Film zugrunde. Auch Nicolas Cage hat Probleme, geahnt oder gar gewusst haben wir das wohl alle. Aber so in Summe mit Besetzung, dem Geld, der pubertierenden Tochter und dem Altwerden kommen doch einige Dinge zusammen. Nic Cage war immerhin bis vor 10 Jahren nicht zu Unrecht einer der größten Superstars, Filme wie John Woos »Im Körper des Feindes (Face/Off)« und Lynchs »Wild at Heart« stehen dafür. Dann bog er wohl falsch ab, jährlich entstanden zwar viele Filme, darunter auch ganz viel Schräges, aber auch Perlen wie »Pig« von Michael Sarnoski, die großen Rollen bleiben aber aus. Eine faszinierende Gestalt und begnadeter Schauspieler ist er aber immer noch. Der Beweis ist dieser Film.  

Und so schicken die Drehbuchautoren Kevin Etten und Tom Gormican Nicolas Cage (gespielt von Nicolas Cage) zu einem Fan, dem superreichen Javier Gutierrez (Pedro Pascal) nach Mallorca. Der für eine Millionen Dollar eingekaufte Geburtstagsauftritt entpuppt sich dann als Einstieg in eine verrückte Räuberpistole, bei der Mafia, CIA und noch mehr durchgeknalltes Personal mitspielen. 

Kamera, Ausstattung und die Schauspieler, allen voran Pedro Pascal, machen einen tollen Job. Leider mutiert die Komödie nach dem tollen Einstieg dann doch zu einem vertrackten Stück Film. 

Anfängliche Komik, Ironie und Spaß weichen zum Ende hin einer etwas zäh und mit zu wenig Budget inszenierten Actionklamotte, der auch die ironische Distanz abgeht. Leider, denn der Ansatz war brillant und der Film im Film nimmt langsam aber sicher Fahrt auf, um dann plötzlich einzuknicken. Vergnügliche und ironische Gespräche über das Filmemachen (zum drittbesten Film aller Zeiten wird übrigens »Paddington II« gewählt), das Starwesen und die wichtigen Dinge im Leben. Dazu eine vergnügliche Szene auf LSD, in der beide Darsteller ihrem Affen richtig Zucker geben können.

Plötzlich aber jagen das Fluchtauto und die Verfolger durch eine osteuropäische Stadt und die letzte Einstellung ist die des erfolgreichen Kinofilms im US-Setting, der Nic Cage wieder zum Superstar und guten Familienmenschen macht. Seinen neuen Freund katapultiert der Erfolg mitten rein nach Hollywood. Eine Ende wie gemacht für die Traumfabrik aber nicht für den Film. Denn auch für Nicolas Cage gilt – „Undank ist der Welt Lohn"!

Mersaw

www.youtube.com/watch?v=sm89nsy-5bE