6. März 2025

Maria und Mandrax im Sonnenuntergang

Pablo Larraín inszeniert die letzten Tage der Callas als episches Kammerspiel
Maria und Mandrax im Sonnenuntergang

Das war knapp. An einem wunderbar sonnigen Sonntagnachmittag ist Pablo Larraíns dritter Diven-Film im PK Ost trotz des himmlischen Wetters nahezu ausverkauft, am Ticket-Counter wird bestätigt, dass bei »Maria« witterungsunabhängig die Kinosäle immer ausgelastet sind. „La Divina“, die göttliche Maria Callas fasziniert das Publikum also auch fast vierzig Jahre nach ihrem Tod.

Um es kurz zu machen: Der Chilene Larraín (»Jackie«, »Spencer«) hat es wieder geschafft, eine großartigen Film über eine große Frau zu drehen, mit dem entschiedenen Willen, der Callas gerecht zu werden, ihre Perspektive einzunehmen. Angelina Jolie geht ersichtlich mit jeder Faser ihres Spielerinnenseins in dieser Rolle auf. Sie schafft mühelos den Spagat zwischen Männer- und Medienopfer und der selbstermächtigten Künstlerin, bricht die überwiegend melodramatischen, vielfach tragischen Momente mit knappem trockenen Witz, ist eitel, zerbrechlich, strahlend und schlicht anrührend.

Der Film beginnt mit ihrem einsamen Tod am 16. September 1977 in Paris und erzählt, mit vielen authentisch wirkenden Rückblenden angereichert, die letzten sieben Tage ihres Lebens, in denen sie scheinbar mit dem Reporter „Mandrax“ (Kodi-Smit-McPhee) ihr Leben durchstöbert und in den Pariser Straßen flaniert, während ihr Hausmädchen und ihr Butler zutiefst besorgt die Halluzinationen der Diva beobachten und vergeblich versuchen, sie zum Essen und zur Einhaltung der ärztlichen Ratschläge zu bewegen. Pablo Larraín hat das als atmosphärisch dichtes Kammerspiel inszeniert, die Kamerafahrten sind langsam, die Stimmung ist überwiegend elegisch und entfaltet einen starken Sog. Atemberaubend schön sind die Kostüme von Marias großen Bühnenroben, über ihren Morgenmantel bis hin zu den zarten Schürzen des Hausmädchens.

Alba Rohrwacher spielt Bruna mit zärtlicher Hingabe, der dritte im Bund ist Pierfrancesco Favino als beständig den Flügel verschieben müssender Butler. Dieser Flügel, der auf Befehl der Diva permanent seinen Platz wechselt und den richtigen nie findet, ist ein schönes Symbol für das unstete Leben der großen Sängerin. Geschickt ist auch der Umgang mit dem Sound. Rückblenden mit den großen Callas-Arien, denen minimal Angelina Jolies Stimme beigemischt wurde, wechseln mit den Versuchen der Sängerin, ihre Gesangsstimme wieder fit zu machen (hier mit dem umgekehrten Stimmenanteil). Dazwischen finden sich lange Passagen der Stille, in die gelegentlich Sätze von unglaublicher Härte prasseln. Während Marilyn Monroe ihr berühmtes Geburtstagsständchen für John F. Kennedy singt, flüstert Aristoteles Onassis in Marias Ohr: „Niemand interessiert sich für ihre Stimme, so wie sich niemand für deinen Körper interessiert.“ Peng.

Eine heftige Nachwirkung entwickelt auch das kurze Zusammentreffen zwischen der Callas und dem ratlosen amerikanischen Präsidenten auf der Suche nach seiner Frau. Mit Genuss kehrt Pablo Larraín hier die Machtverhältnisse um und lässt die Opernsängerin den Präsidenten vorführen. Man muss die stellenweise extrem starke Stilisierung in den Filmen des chilenischen Regisseurs nicht mögen, kann die Traurigkeit seiner Frauenfiguren wohltemperiert finden, die Szenen zu gestellt. Aber wie er ikonische Frauen der Vergangenheit aus dem Blickwinkel des 21. Jahrhunderts zeigt, verrät viel über die Gegenwart.

Grit Dora

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