7. Dezember 2012
Er lockt Millionen in die Kinos - Semi-Pro und Semi-Contra »Skyfall«

Daniel Craigs dritter Auftritt als James Bond in »Skyfall« lockt Millionen in die Kinos und fast alle kommen sie glücklich wieder raus. Auch die Redakteure des Kinokalender Dresden.
Semi-Pro:
Der Daniel-Craig-Bond muss weg! Und zwar sofort! Denn dieser Kerl macht es mir zunehmend unmöglich, meine einstigen, NEIN: gerade immer noch Lieblings-007-Abenteuer mit Roger Moore im TV zu genießen. Warum? Weil dieser Craig auf dem besten Weg ist, mein neuer Favorit in der Rolle des berühmten MI6-Agenten zu werden. Sakrileg! Jahrelang kämpfte ich tapfer gegen alle Ewiggestrigen, die nur den Connery-Schotten als einzig wahre Doppel-Null akzeptierten. Nur um nun festzustellen, dass ich als Moore-Verfechter selbst ein Ewiggestriger bin, der der Wahrheit endlich ins Cineasten-Gesicht blicken muss: „God save the King, Daniel Craig!“ Oder so ähnlich.
Nach Martin Campbells fulminantem »Casino Royale«, der Mann, der mit dem fetzigen „GoldenEye“ übrigens auch den ersten Brosnan-Bond inszeniert hatte, war die Furcht groß, dass Craig ebenso nur zwei Filme braucht, um den britischen Geheimagenten zur Witzfigur zu machen. Denn Brosnan-Bond wurde nach seinem Debüt schnell zum Übermenschen, der zwar stets witzig, aber wenig plausibel und viel zu überdreht die Welt vor Klischee-Bösewichtern rettete (Stichwort: unsichtbares Auto in »Stirb an einem anderen Tag«). Craig legte ähnlich stark los und verlor sich dann in »Ein Quantum Trost« in einem Schnittmassaker, das außer Tempo, tollen Locations und einem Bourne-Verschnitt, der zufällig den Namen Bond trug, leider nicht viel zu bieten hatte.
Nun also »Skyfall«. Was hätte da alles schief gehen können: ein neuer Q, ein alter Aston Martin, ein blonder Bösewicht mit einer romantischen Vorliebe für Herren im Anzug. Aber Regisseur Sam Mendes gelingt es wunderbar, Witz, Härte und Bondgefühl in 140 Minuten zu packen, das moderne Actionkino mit dem brachialen „Ein-Mann-gegen-eine-Armee“-Prinzip zu verbinden und am Ende sogar ein neues Kapitel aufzuschlagen, das mutig und vor allem unvorhersehbar daherkommt. Applaus, Applaus!
Damit diese Hälfte der „… im Nachgang“-Kolumne aber ihren Titel „Semi-contra“ auch verdient, hier nun doch noch ein wenig Gemeckertes. Fräulein Naomie Harris mag eine gute Schauspielerin sein, ihre Wandlung zu __________ (man will ja nicht zu viel verraten) auch glaubwürdig. Aber als Action-Amazone ist sie wirklich sehr ungeeignet. Denn ihr Auftritt in der Anfangssequenz ist für meine Begriffe etwas zu leichtfüßig dargeboten und der Situation kaum angemessen. Vielleicht reagiere ich aber auch nur allergisch auf allzu offensichtliches Hin- und Herschwenken des Lenkrads, was eher an eine Schleusenöffnung erinnert statt an ein fahrendes Auto. Das haben wohl auch ihre Vorgesetzten erkannt, die sie später zum Innendienst verdonnern. Gut so!
Bleibt noch Adeles Titelsong zu bewerten: „Die Another Day“ (Madonna), „You Know My Name“ (Chris Cornell) und „Another Way To Die“ (Jack White & Alicia Keys) waren mutige Versuche, den klassischen Bond-Eröffnungstitel ins neue Jahrtausend zu hieven. Auch wenn sie mir sehr gut gefallen haben, fühlt sich doch erst Adeles »Skyfall« wieder so richtig passend an: altmodisch, ein wenig theatralisch, opulent. Ein musikalisches Versöhnungsangebot an alle Connery- und Moore-Fans, die ihre Helden spätestens nach diesem 23. Teil wohl endlich gegen einen neuen eintauschen müssen. Na gut.
Csaba Lázár
Semi-Contra
Bevor ich meinen Verriss gleich hier beende und in den Bond-Hype einstimme, möchte ich laut und verbittert folgende Frage stellen: Was haben mordsgeile Maßanzüge, höchstdekorierte Halunken, personifizierte Walther PPK Statements, grundgütig ehrliche Actionszenen mit Guinness-Buch-Niveau, Vodka-Martini-Assoziationen und rattenscharfe Französinnen in einem Kinderfilm FSK 12 verloren? Wo bin ich denn, verdammt? Im falschen Kino? Und der Aston Martin DB5? Hallo? Das ist doch kein Transformerspielzeug, was man einfach so in Schutt und Asche legt. Bullshit, von wegen Bond wird endlich erwachsen. Wann gibt es denn mal einen Bond für Erwachsene? Wann wird denn bitte mal zu Ende rasiert und nicht nur eingeseift? Ich lach mich kaputt. Und in zehn Jahren erst, ...da lacht ihr alle mit. So. Das musste mal raus.
„Schießen Sie, verdammt!“ brüllt M und die neue Miss Moneypenny putzt den falschen Agenten vom Zug. „This is the end“ orakelt der Titelsong und umkreist Grabsteine. Gruselig. Moneypenny schießt eine Fahrkarte und Bond fällt vom Himmel. Klar. „Irgendjemand stirbt immer.“ Wollte Daniel Craig nicht seinen Job an den Nagel hängen, noch kurz vor den Dreharbeiten? Nach nur drei Runden? Mit seinem letzten Bondfilm wäre ihm zugleich sein bester gelungen. Kein schlechter Abgang. Meint auch Mallory: „...wieso bleiben sie nicht einfach tot, Bond?“ Daniel Craig wäre dann angetreten mit Kündigung in der Tasche und großer Liebesaffäre im Dienst, hätte mit rasanter Rache und einer Ration Trost nachgelegt, um schließlich seinen letzten Job komplett zu versemmeln und in den Armen einer älteren Dame zu sterben. Bei Gott, das Schlimmste bleibt aus. Aber versemmeln tut er ihn, und verdammt, ja, irgendwie passiert das Zweitschlimmste. Wenn M bereits nach dem Vorspann einen Nachruf verfasst und das Drehbuch nur so strotzt von Defätismus am offenen Grab. Der neue Bond riecht etwas süßlich. „Der Job ist was für junge Männer.“ Und dann diese Leichenfledderei zum Fünfzigsten. All die Verbeugungen. Nur, um sie sogleich als Nostalgie zu brandmarken. „Sowas machen wir eigentlich nicht mehr“ Pah! War aber eine herrliche Szene, als der schizoide Boris seinerzeit mit besagtem Kugelschreiber spielte. Unerhörter Tiefgang, so tönen landesweit die Gazetten, und meinten wohl die Tagespflege in stockigen Kellerräumen. Bondgirls, auf Station 3, bitte. Na gut. Einmal an der Olive gelutscht und kurz geduscht, aber, Oh Bérénice, welch Verschwendung! Zwar folgt auf die türkische Eröffnung und den Shanghai-Showdown noch die malerische Hinrichtung seiner Macao-Mätresse, aber gefühlt spielt der Film anderthalb Stunden im verregneten London. Bevor er ins nebelige Schottland ausweicht. Daheim bei Bonds braut sich erst was zusammen. Vom Psycho-Fuzzi, nach »Skyfall« befragt, weiß der auferstandene Bond nur die assoziative Antwort „Ende“. Ooops, Hellseher und Eistaucher. Ach Mutter. „Ich wurde aufgehalten.“ Hut ab vor der 78jährigen Dame Judi Dench. Ihr stand die weibliche Hauptrolle gut zu Gesicht. Fazit: M ist tot, Q ein Nerd und Nolan kann noch viel finstere Filme. Lieber tschechischer Busfahrer, spiel um Himmels willen weiter! Verlieb dich wieder! Aber trink nie wieder Bier!
Rollo Tomasi
Semi-Pro:
Der Daniel-Craig-Bond muss weg! Und zwar sofort! Denn dieser Kerl macht es mir zunehmend unmöglich, meine einstigen, NEIN: gerade immer noch Lieblings-007-Abenteuer mit Roger Moore im TV zu genießen. Warum? Weil dieser Craig auf dem besten Weg ist, mein neuer Favorit in der Rolle des berühmten MI6-Agenten zu werden. Sakrileg! Jahrelang kämpfte ich tapfer gegen alle Ewiggestrigen, die nur den Connery-Schotten als einzig wahre Doppel-Null akzeptierten. Nur um nun festzustellen, dass ich als Moore-Verfechter selbst ein Ewiggestriger bin, der der Wahrheit endlich ins Cineasten-Gesicht blicken muss: „God save the King, Daniel Craig!“ Oder so ähnlich.
Nach Martin Campbells fulminantem »Casino Royale«, der Mann, der mit dem fetzigen „GoldenEye“ übrigens auch den ersten Brosnan-Bond inszeniert hatte, war die Furcht groß, dass Craig ebenso nur zwei Filme braucht, um den britischen Geheimagenten zur Witzfigur zu machen. Denn Brosnan-Bond wurde nach seinem Debüt schnell zum Übermenschen, der zwar stets witzig, aber wenig plausibel und viel zu überdreht die Welt vor Klischee-Bösewichtern rettete (Stichwort: unsichtbares Auto in »Stirb an einem anderen Tag«). Craig legte ähnlich stark los und verlor sich dann in »Ein Quantum Trost« in einem Schnittmassaker, das außer Tempo, tollen Locations und einem Bourne-Verschnitt, der zufällig den Namen Bond trug, leider nicht viel zu bieten hatte.
Nun also »Skyfall«. Was hätte da alles schief gehen können: ein neuer Q, ein alter Aston Martin, ein blonder Bösewicht mit einer romantischen Vorliebe für Herren im Anzug. Aber Regisseur Sam Mendes gelingt es wunderbar, Witz, Härte und Bondgefühl in 140 Minuten zu packen, das moderne Actionkino mit dem brachialen „Ein-Mann-gegen-eine-Armee“-Prinzip zu verbinden und am Ende sogar ein neues Kapitel aufzuschlagen, das mutig und vor allem unvorhersehbar daherkommt. Applaus, Applaus!
Damit diese Hälfte der „… im Nachgang“-Kolumne aber ihren Titel „Semi-contra“ auch verdient, hier nun doch noch ein wenig Gemeckertes. Fräulein Naomie Harris mag eine gute Schauspielerin sein, ihre Wandlung zu __________ (man will ja nicht zu viel verraten) auch glaubwürdig. Aber als Action-Amazone ist sie wirklich sehr ungeeignet. Denn ihr Auftritt in der Anfangssequenz ist für meine Begriffe etwas zu leichtfüßig dargeboten und der Situation kaum angemessen. Vielleicht reagiere ich aber auch nur allergisch auf allzu offensichtliches Hin- und Herschwenken des Lenkrads, was eher an eine Schleusenöffnung erinnert statt an ein fahrendes Auto. Das haben wohl auch ihre Vorgesetzten erkannt, die sie später zum Innendienst verdonnern. Gut so!
Bleibt noch Adeles Titelsong zu bewerten: „Die Another Day“ (Madonna), „You Know My Name“ (Chris Cornell) und „Another Way To Die“ (Jack White & Alicia Keys) waren mutige Versuche, den klassischen Bond-Eröffnungstitel ins neue Jahrtausend zu hieven. Auch wenn sie mir sehr gut gefallen haben, fühlt sich doch erst Adeles »Skyfall« wieder so richtig passend an: altmodisch, ein wenig theatralisch, opulent. Ein musikalisches Versöhnungsangebot an alle Connery- und Moore-Fans, die ihre Helden spätestens nach diesem 23. Teil wohl endlich gegen einen neuen eintauschen müssen. Na gut.
Csaba Lázár
Semi-Contra
Bevor ich meinen Verriss gleich hier beende und in den Bond-Hype einstimme, möchte ich laut und verbittert folgende Frage stellen: Was haben mordsgeile Maßanzüge, höchstdekorierte Halunken, personifizierte Walther PPK Statements, grundgütig ehrliche Actionszenen mit Guinness-Buch-Niveau, Vodka-Martini-Assoziationen und rattenscharfe Französinnen in einem Kinderfilm FSK 12 verloren? Wo bin ich denn, verdammt? Im falschen Kino? Und der Aston Martin DB5? Hallo? Das ist doch kein Transformerspielzeug, was man einfach so in Schutt und Asche legt. Bullshit, von wegen Bond wird endlich erwachsen. Wann gibt es denn mal einen Bond für Erwachsene? Wann wird denn bitte mal zu Ende rasiert und nicht nur eingeseift? Ich lach mich kaputt. Und in zehn Jahren erst, ...da lacht ihr alle mit. So. Das musste mal raus.
„Schießen Sie, verdammt!“ brüllt M und die neue Miss Moneypenny putzt den falschen Agenten vom Zug. „This is the end“ orakelt der Titelsong und umkreist Grabsteine. Gruselig. Moneypenny schießt eine Fahrkarte und Bond fällt vom Himmel. Klar. „Irgendjemand stirbt immer.“ Wollte Daniel Craig nicht seinen Job an den Nagel hängen, noch kurz vor den Dreharbeiten? Nach nur drei Runden? Mit seinem letzten Bondfilm wäre ihm zugleich sein bester gelungen. Kein schlechter Abgang. Meint auch Mallory: „...wieso bleiben sie nicht einfach tot, Bond?“ Daniel Craig wäre dann angetreten mit Kündigung in der Tasche und großer Liebesaffäre im Dienst, hätte mit rasanter Rache und einer Ration Trost nachgelegt, um schließlich seinen letzten Job komplett zu versemmeln und in den Armen einer älteren Dame zu sterben. Bei Gott, das Schlimmste bleibt aus. Aber versemmeln tut er ihn, und verdammt, ja, irgendwie passiert das Zweitschlimmste. Wenn M bereits nach dem Vorspann einen Nachruf verfasst und das Drehbuch nur so strotzt von Defätismus am offenen Grab. Der neue Bond riecht etwas süßlich. „Der Job ist was für junge Männer.“ Und dann diese Leichenfledderei zum Fünfzigsten. All die Verbeugungen. Nur, um sie sogleich als Nostalgie zu brandmarken. „Sowas machen wir eigentlich nicht mehr“ Pah! War aber eine herrliche Szene, als der schizoide Boris seinerzeit mit besagtem Kugelschreiber spielte. Unerhörter Tiefgang, so tönen landesweit die Gazetten, und meinten wohl die Tagespflege in stockigen Kellerräumen. Bondgirls, auf Station 3, bitte. Na gut. Einmal an der Olive gelutscht und kurz geduscht, aber, Oh Bérénice, welch Verschwendung! Zwar folgt auf die türkische Eröffnung und den Shanghai-Showdown noch die malerische Hinrichtung seiner Macao-Mätresse, aber gefühlt spielt der Film anderthalb Stunden im verregneten London. Bevor er ins nebelige Schottland ausweicht. Daheim bei Bonds braut sich erst was zusammen. Vom Psycho-Fuzzi, nach »Skyfall« befragt, weiß der auferstandene Bond nur die assoziative Antwort „Ende“. Ooops, Hellseher und Eistaucher. Ach Mutter. „Ich wurde aufgehalten.“ Hut ab vor der 78jährigen Dame Judi Dench. Ihr stand die weibliche Hauptrolle gut zu Gesicht. Fazit: M ist tot, Q ein Nerd und Nolan kann noch viel finstere Filme. Lieber tschechischer Busfahrer, spiel um Himmels willen weiter! Verlieb dich wieder! Aber trink nie wieder Bier!
Rollo Tomasi
