7. Juni 2013

Äußerst temporäre Glücksgefühle

Die Krise riecht schlecht in »Killing Them Softly«
Äußerst temporäre Glücksgefühle
Die erste Einstellung zeigt einen Häuserdurchgang mit Blick auf die Straße. Plastiktüten wehen vorbei und es ist sofort klar, dass in diesem Film nichts schön sein wird. Allein die Flugbahn des Projektils, das im Kopf von Markie Trattmann (Ray Liotta) landet, darf Anspruch auf klassische Eleganz erheben. In »American Beauty« machte Sam Mendes die im Wind tanzende Plastiktüte zum Inbegriff für Schönheit. Das war 1999. Bei Andrew Dominik ist sie einfach nur Müll. Ein Zeichen dafür, wie 2012 alles den Bach runter geht.
Es ist ja egal, woran es liegt: Ob die Vanillesoße anbrennt oder die Schrotflinte zu kurz abgesägt ist. Wenn der Tag aus der Spur läuft, geht er meistens komplett in die Hose. Manche Leute bemühen dafür ein unfeines Sprichwort: „Der Teufel scheißt auf einen großen Haufen.“ Durch und durch optimistisch, wenn das nur den Tag meint und nicht das ganze Leben. Denn die Welt ist schlecht und riecht auch so. Hat Brad Pitt Mundgeruch? Bei »Killing Them Softly« stellt man sich derlei abwegige Fragen. Pitts Auftragskiller Jackie Cogan strahlt jedenfalls überzeugend einen üblen Hauch aus. Von den anderen Gangstern und Möchtegernen ganz zu schweigen. Alle stinken aus allen Poren nach Angst. Nach Müll und Hundescheiße. Sie haben gute Gründe dafür. „Du bist in ´ner Position, die viele Leute niemals haben. Du hast die Wahl.“ Sagt Brad Pitt gegen Ende des Films zu einem dieser hilflosen Gauner, kurz bevor er ihm den Rest gibt. Äußerst schwarzer Humor das. Von Möglichkeiten oder Chancen kann natürlich keine Rede sein, auch wenn alle fortwährend und ausgiebig darüber labern, was wie zu tun ist, um „schnelle fünfzehn“ zu machen. Ich will auch mal schnelle fünfzehn machen. Fünfzehntausend für fünfzehn Zeilen. Ist aber nicht. Krise überall und vor allem im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Aus den Monitoren tröpfeln Wahlkampfsprüche über Respekt, Menschenwürde und Chancengleichheit. Wen interessiert es. Die Einnahmen sind im Keller. Verbrechen ist auch nicht mehr das, was es mal war. Selbst ein Profi-Schwergewicht wie Jackie Cogan muss hart verhandeln, um nach Erledigung seines Jobs an das übliche Honorar zu kommen. „Money. Thats What I Want“, trällert Barret Strong dazu. Man muss halt immer mehr arbeiten für sein Geld. Das formidable Kino-Eis schmeckt plötzlich nach Pappe. »Killing Them Softly« zeigt Amerika im Koma und New Orleans als Unort. Autotüren öffnen und schließen, verregnete Scheiben heben und senken sich. Männer steigen ein und aus. Tun geschäftsmäßig. Glück ist, wenn der Tag erst abends in die Hose geht. Wenn du nicht sofort stirbst, sondern ein bisschen später. Wenn noch Zeit bleibt, das teuer erkaufte Heroin zu genießen. Alles andere ist Hundescheiße. Kein Wunder, dass die Massen in »Cloud Atlas« geströmt sind, zum Seelenwandern gegen die Krise. Bei »Killing Them Softly« gibt es nur eine Richtung. Abwärts.
Grit Dora